Wer fragt, der führt: systemisches Fragen
Was systemische Fragen so erfolgreich macht
Systemische Fragen sind offene Fragen, die den Gesprächspartner zum Nachdenken und Reflektieren anregen. Sie zielen darauf ab, verschiedene Perspektiven zu beleuchten, neue Lösungsideen zu entwickeln und Ressourcen zu aktivieren. Sie heben sich dadurch von klassischen Fragen ab, bei denen es in erster Linie um Informationsgewinn geht.
Über Fragen zu führen ist kein neuer Ansatz. Schon Größen wie Einstein, Goethe und vor allem Sokrates wiesen auf die Bedeutung der richtigen Fragestellung hin, um zu führen, Empathie und Kreativität zu fördern und um Problemstellungen zu lösen.
„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang von Goethe
Die Möglichkeiten, Gespräche mit Mitarbeitenden oder Teams über systemische Fragen zu führen, sind enorm vielfältig. In diesem Artikel stelle ich dir praktische Fragetechniken vor, die nach meiner Erfahrung eine besonders starke Wirkmacht besitzen. Und ich gebe dir schließlich konkrete Tipps an die Hand, um diese Fragen bestmöglich einzusetzen.
Welche Vorteile hast du durch den Einsatz systemischer Fragen?
So vielfältig die Gestaltungsmöglichkeiten in der Gesprächsführung, so zahlreich sind auch die Vorteile, wenn du systemische Fragen in deine Toolbox aufnimmst. Hier sind einige besonders relevante Vorteile aus Sicht von Führungskräften:
- Sie fördern Eigenverantwortung: Systemische Fragen helfen den Mitarbeitenden und Teams, ihre eigenen Probleme zu reflektieren und Lösungsansätze zu entwickeln. Dadurch werden sie eigenverantwortlicher und ihre Motivation wird positiv beeinflusst.
- Sie verbessern gegenseitiges Verständnis: Systemische Fragen schaffen eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre in der Kommunikation und vor allem gemeinsames Reflektieren von Arbeitssituationen. Dies wirkt sich positiv auf die Kommunikations- und Arbeitskultur in deinem Unternehmen aus.
- Sie fördern Kreativität und Innovation: Systemische Fragen helfen den Mitarbeitenden, neue Perspektiven zu entdecken und unkonventionelle Denkmuster zu entwickeln. Das kann zu mehr Kreativität und Innovation im Unternehmen führen.
- Sie stärken die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden: Systemische Fragen zeigen den Mitarbeitenden, dass sich die Führungskraft für ihre Anliegen und Bedürfnisse interessiert. Das stärkt die Beziehung und das gegenseitige Vertrauen.
Die Top 5 systemischer Fragetechniken
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, effektive systemische Fragen zu formulieren. Meine persönlichen Lieblingsfragen sind:
- Ressourcen-Fragen: Sie nehmen einer Herausforderung negative Emotionalität und erinnern das Gegenüber daran, welche Handlungsfelder und Lösungsressourcen bereits zur Verfügung stehen. Dadurch wirken sie Ohnmachtsgefühlen und (erlernter) Hilflosigkeit entgegen.
Zum Beispiel: Wie hast du ein solches Problem schon mal gelöst? Welche deiner Fähigkeiten könnten hier hilfreich sein? - Reframing-Fragen: Sie deuten das Gesprächsthema um und verhelfen so zu einer neuen Perspektive, die alternative Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.
Zum Beispiel: Angenommen du könntest uneingeschränkt agieren, was würdest du dann tun, um die Situation zu verbessern? - Zirkuläre Fragen: Auch hier wird das Gesprächsthema umgedeutet, indem eine andere Perspektive eingenommen werden muss, um die Frage zu beantworten.
Zum Beispiel: Wie würde denn dein Kollege das Problem lösen? Stell dir vor, du bist jetzt der Vorgesetzte – wie ändert sich dann, aus deiner Sicht, die Situation? - Hypothetische Fragen: Hier muss sich eine (noch) nicht reale Situation vorgestellt werden, um die Frage beantworten zu können. Auf diese Weise erreichen hypothetische Fragen einen Perspektivwechsel.
Zum Beispiel: Wenn du deine Beförderung jetzt schon hättest, wie würdest du dann das Problem lösen? - Paradoxe Fragen: Sie erzeugen einen Perspektivwechsel durch ein oft überraschendes Element, indem das Gesprächsthema auf den Kopf gestellt wird. Diese Überraschung kann dabei helfen, Menschen aus eingefahrenen Denkmustern herauszuhelfen.
Zum Beispiel: Was müsstest du tun, damit sich die Situation noch verschlimmert?
Anhand dieser fünf Kategorien lässt sich erahnen, welch vielfältige Möglichkeiten systemische Fragen für eine effektive Gesprächsführung bieten. Und sie sollen hier nur beispielhaft dazu dienen, die Bandbreite dieser Gesprächstechnik zu illustrieren.
Der konkrete Tipp für Führungskräfte
Systemische Fragen wirken sehr zuverlässig. Allerdings gilt es, ein paar Fehler bei ihrer Anwendung zu vermeiden, um nicht versehentlich eine gegenteilige Wirkung bei Ihrem Gegenüber zu erzeugen.
- Überprüfe deine eigenen Hypothesen im Vorfeld: Fragen dich, warum du diese Frage stellen und was du damit erreichen möchtest.
- Formuliere die Frage auf den Punkt: kurz und prägnant. Vermeide es, mehrere Fragestellungen in eine Frage zu packen.
- Vermeide suggestive, rhetorische oder vergleichbare manipulative Formulierungen: Wenn du deinem Gegenüber eigentlich eher etwas mitteilen möchtest, als zu fragen, mach das besser direkt. Andernfalls wird dein Gegenüber das Manöver sehr wahrscheinlich durchschauen und dem Gespräch bzw. dir misstrauischer begegnen.
- Bleibe möglichst ruhig und entspannt, in Stimme und Körperhaltung. So förderst du die Reflexion und eine offene, vertrauensvolle Gesprächssituation.
- Reihe die Fragen so aneinander, dass sie inhaltlich anknüpfen. Dadurch entsteht ein natürlicher Gesprächsfluss und du kannst leichter steuern, welche Inhalte du vertiefen möchtest.
Mithilfe systemischer Fragen kannst du bei dir, deinen Mitarbeitenden und Teams konstruktive Reflexion anstoßen, das gemeinsame Verständnis signifikant verbessern und damit die Zusammenarbeit und Produktivität positiv beeinflussen. Sie tragen dazu bei, dass sich die Beteiligten in ihrem Arbeitsumfeld verstanden fühlen und empathisch aufeinander reagieren. Durch das Einnehmen anderer Perspektiven, das durch systemische Fragen forciert und eingeübt wird, wird zudem die Problemlösungskompetenz und Innovationskraft in deinem Unternehmen gefördert.