Organisationen mit Metaphern verstehen und verändern (Teil 1)
Was ist Unternehmenskultur?
Vereinfacht gesagt, besteht eine Kultur aus einer Sammlung geteilter Werte und Normen, bspw. Vorstellungen von richtigem und falschem Verhalten. Sie dienen dazu, die Mitglieder zu einen und sich gleichzeitig von anderen abzugrenzen. Dadurch entsteht ein Wir-Gefühl, die kollektive Identität. Diese Werte drücken sich in Form von Strukturen und Artefakten aus, z. B. Hierarchien, Prozessen, Ritualen oder Arbeitsplatzkonzepten. Auch die sehr spezifischen Formen von Belohnung und Sanktion sind Produkte dieser Vorstellungen. Manche dieser Artefakte sind sichtbar, andere sind hingegen schwer greifbar, wie der gelebte soziale Umgang miteinander.
Herausforderungen beim Verstehen einer Kultur
Leider lässt sich eine Kultur nicht anhand ihrer Artefakte allein begreifen:
- Stark formalisierte Prozesse müssen nicht zwangsläufig einer Command & Control-Kultur entspringen.
- New Work-Arbeitsplätze stehen nicht per se für eine offene und vertrauensbasierte Unternehmenskultur.
- Ein Fokus auf Nachhaltigkeit kann auch für Greenwashing stehen, anstatt gesellschaftliche Verantwortung als Teil der gelebten Unternehmenswerte zu repräsentieren (und umgekehrt).
Die größte Herausforderung beim Verstehen einer Organisationskultur ist ihr unbewusster Anteil. Die Werte, Überzeugungen und Grundannahmen, aus der sich die Kultur zusammensetzt, sind den Beteiligten in der Regel höchstens teilbewusst. Das bedeutet, auch Menschen die schon lange Teil der Organisation sind, können die Unternehmenskultur kaum vollständig, geteilt und eindeutig beschreiben.
Ein Annäherungsprozess: Mit Sprache und Metaphern arbeiten
Die Organisationskultur zu verstehen und zu verändern ist damit ein Annäherungsprozess. Ein Hilfsmittel dabei ist die Arbeit mit Sprache und Sprachbildern. Nutzen Mitarbeitende ähnliche Begriffe und Metaphern? Dann deutet das auf eine geteilte oder zumindest ähnliche Auffassung der entsprechenden Situation hin.
Metaphern für ein gemeinsames Verständnis nutzen
Metaphern sind besonders effektiv darin, mentale Modelle und Grundhaltungen zu vermitteln und zu verstehen, weil sie komplexe und abstrakte Konzepte in greifbare, vertraute Bilder übersetzen. Bei einer Intervention können sie hilfreich sein, um den Beteiligten durch die Klarheit des Sprachbildes zu Erkenntnis zu verhelfen und dadurch Veränderungsprozesse anzustoßen.
Sie erleichtern das gemeinsame Verständnis und die Kommunikation auf mehreren Ebenen:
1. Vereinfachung von Komplexität
Metaphern ermöglichen es uns, komplexe und abstrakte Ideen durch einfachere und vertrautere Konzepte zu erklären. Zum Beispiel kann die Metapher des "Uhrwerks" die komplizierte Struktur und Funktionsweise einer Organisation verständlicher machen, indem sie die Organisation als ein mechanisches System beschreibt, bei dem jedes Teil eine spezifische Rolle spielt.
2. Förderung des visuellen Denkens
Menschen denken oft in Bildern. Metaphern sprechen diesen visuellen Denkstil an, indem sie Bilder im Kopf erzeugen, die leichter zu verstehen und zu behalten sind. Wenn wir uns eine Organisation als "Familie" vorstellen, entstehen sofort Bilder von Nähe, Unterstützung und Zusammenhalt, die diese Idee veranschaulichen.
3. Emotionales Engagement
Metaphern können starke emotionale Reaktionen hervorrufen, die das Lernen und das Verständnis vertiefen. Eine Metapher wie der "lernende Organismus" kann inspirierend wirken, weil sie ein Bild von Wachstum, Anpassungsfähigkeit und Lebendigkeit erzeugt. Diese emotionale Verbindung kann das Engagement und die Motivation erhöhen, sich intensiver mit dem Konzept auseinanderzusetzen.
4. Erleichterung der Kommunikation
Metaphern bieten eine gemeinsame Sprache, die die Kommunikation erleichtert. Wenn eine Gruppe eine Metapher teilt, kann sie leichter über komplexe Ideen sprechen, da alle dasselbe Bild vor Augen haben. Dies ist besonders in Situationen hilfreich, in denen klare und effektive Kommunikation entscheidend ist.
5. Erweiterung des Denkrahmens
Metaphern ermöglichen es uns, über die Grenzen unseres aktuellen Denkens hinauszugehen. Indem wir eine Organisation als einen "lernenden Organismus" sehen, öffnen wir uns für neue Perspektiven und Herangehensweisen, wie kontinuierliches Lernen und Anpassungsfähigkeit, die wir vielleicht nicht in Betracht gezogen hätten, wenn wir nur in traditionellen Strukturen denken.
6. Kulturelles Verständnis
Metaphern sind oft kulturell verankert und können helfen, das kulturelle Umfeld einer Organisation oder einer Gemeinschaft besser zu verstehen. Sie spiegeln gemeinsame Werte, Normen und Überzeugungen wider, was dazu beiträgt, wie Menschen und Organisationen ihre Welt interpretieren und darauf reagieren.
Der konkrete Tipp
Versuche darauf zu achten, welche Begriffe du selbst und die Menschen in deiner Organisation benutzen. Und auch auf welche Metaphern diese Begriffe hindeuten können.
- Wie einheitlich und vereinbar sind diese Sprachbilder?
- Und entsprechen die Sprachbilder der ursprünglichen Vorstellung Ihrer Unternehmenskultur?
Auf diese Weise kann man sich einem Bild der gelebten Organisationskultur annähern.
Im zweiten Teil des Artikels gehe ich auf einige weitverbreitete Metaphern ein – wie du sie erkennen und verändern kannst.
Hast du wirkmächtige Metaphern in deiner Organisation erkannt? Schreib mir gern!